- Bettina
Vulkan Chachani: Gescheitert am 6.000er *Peru*
Schwäche zeigen - nicht gerade meine Stärke. Der Chachani mit seinen 6.075 Höhenmetern treibt mich jedoch in die Knie. Die Besteigung, oder besser gesagt der Versuch, ist wohl die bisher größte Challenge meines Lebens.

Wir starten bei Hagel, Nebel und eisigem Wind. Der Rucksack ist mit 5 Litern Wasser, einem Zelt, Schlafsack, Isomatte und dem nötigen Equipment brutal schwer. Wir sind eine sympatische 4er-Gruppe: zwei Guides, eine aufgeweckte Peruanerin aus Lima und ich. Bisher macht mir die Höhe noch nicht zu schaffen. Fabiola ist bereits kreidebleich und kommt nur mit Müh und Not am Base Camp (5.200 m) an und indem einer der Jungs auch ihren Rucksack noch trägt.
Die erste Etappe ist geschafft. Um 18:30 Uhr, nach Asia-Instant-Nudeln mit Avocado, die hier vermutlich so lecker schmecken wie nirgendwo sonst auf der Welt, und Kokatee, der die Höhenbeschwerden verhindern soll, ziehen wir uns in die Zelte zurück. Ich trage 4 Oberteile, 2 Jacken, 3 Hosen, 3 Paar Socken, 2 Halstücher, Handschuhe, eine Mütze und die Kaputze meiner Jacke. So früh und bei Eiseskälte soll man also nun schlafen. Ob es geklappt hat? Wenn überhaupt zwei Stunden mit wirren Träumen und schmerzendem Rücken.
Um 2:00 Uhr wird es unruhig im Camp. Wir wollten eigentlich schon lange los. Germano hat verschlafen und ich habe kein Zeitgefühl, die Nacht wirkte sowieso endlos. Und die Hände aus dem Schlafsack nehmen, Handschuhe ausziehen, um die Uhrzeit zu checken? Keinesfalls.
Nach einer weiteren Tasse Kokatee und einem Brötchen mit Erdbeermarmelade geht es los. Der Guide und ich. Die anderen beiden kommen nicht mit. Zu sehr kämpft Fabiola mit der Höhe. Sie hatte sich die ganze Nacht übergeben und starke Kopfschmerzen.
Bis die Sonne aufgeht stapfen wir mit unseren Stirnlampen durch die Finsternis. Germano hat ein Glöckchen um den Hals, damit wir uns nicht verlieren. Er geht jedoch sehr langsam voran und wartet geduldig, wenn ich wieder ausschnaufen muss.

Meine Gefühle reichen von 'ich erfriere jeden Moment', über 'ich brauche Sauerstoff', zu 'mir ist schlecht' und letzten Endes: ICH GEBE AUF. Die Strapazen sind zu krass. Der eisige Wind pfeift einem um die Nase, die Finger spürt man schon lange nicht mehr. Mein Frühstück bleibt nicht im Magen. Meine Beine sind wacklig und ich habe keine Kraft mehr. Als die Schneefelder beginnen, denke ich ununterbrochen an den Abstieg mit dem schweren Rucksack, den es noch am selben Tag zu meistern gilt. "Sag, wie ist der Weg weiter oben?" Die Antwort lautete, "Más o menos!". Mir ist klar, ich würde es nicht packen. Auf etwa 5.650 m kehren wir um. Für den Gipfel hat es nicht gereicht. Die Aussicht und die Erfahrung waren es dennoch wert.

Schwierigkeit
Der Chachani gilt als der weltweit leichteste 6.000er. Tatsächlich sind die Wege, zumindest so weit ich sie gegangen bin, unproblematisch. Ich hatte noch nicht einmal Muskelkater. Das Problem ist die Höhe und die dünne Luft. Fabiola, die Peruanerin, der es so schlecht ging, kam aus Lima. Lima liegt am Meer, sie war noch in keinster Weise an die Höhe gewöhnt. Mir ging es da wesentlich besser, nachdem ich bereits 3 Wochen in Arequipa (2.335 m) und zuvor in Puno (3.827 m) war. Zudem hatte ich auf Rat eines Arztes, den ich kennenlernte, bereits am Vortag alle 8 Stunden Sorojchi Pillen genommen. Sie sollen der Höhenkrankheit vorbeugen.

Kälte
Ich habe keine Ahnung, wie kalt es war, aber es war kalt. Am Morgen waren kleine Wasserperlen am Zelt gefroren. Und wie bereits oben beschrieben, hatte ich mehrere Schichten an, um nicht zu frieren. So war es allerdings auszuhalten.
Schlaf
Ich hatte im Vorfeld mit Personen gesprochen, die die Wanderung gemacht hatten und auch darüber im Internet gelesen: schlafen kann fast keiner in dieser Höhe. Natürlich spielt auch eine Rolle, dass die Zeiten nicht in den allgemeinen Rhythmus passen. Und gerade vor einem solchen Aufstieg wäre es so wichtig, Kräfte zu sammeln.
Gepäck
Von der Agentur zur Verfügung gestellt:
Wanderstiefel (20 Soles extra – meine Halbhohen Trekkingschuhe waren ungeeignet)
Wanderstöcke (20 Soles extra)
Winterjacke
Hose zum Überziehen
Steigeisen
Zelt
Schlafsack
Isomatte
Von mir mitgebracht:
5 Liter Wasser (u.A. zum Kochen)
Ca. 1 Liter Kokatee
Snacks (Schokoriegel, Müsliriegel, Nüsse)
Koka-Bonbons
Sonnencreme
Sonnenbrille
Stirnlampe (im Normalfall auch von Agentur zu haben)
dünne Handschuhe
Schneehandschuhe
Mütze
Schal
Buff
dünne Daunenjacke
Regenponcho
Leggins
Wanderhose
1 Paar normale Socken, 2 Paar dicke Socken
2 Tops
T-Shirt
Unterwäsche
Longsleeve
gefüttertes Thermoshirt
Zahnbürste
Zahnpasta
Bürste
Deo
Lippenpflege
Haargummi
Toilettenpapier
Schmerztabletten
Kamera
Handy

Kosten und Tourenanbieter
Für die zweitägige Tour zahlte ich insgesamt 370 Soles (etwa 92,00 €), wovon 40 Soles eine Leihgebühr für die Wanderstiefel- und Stocke waren. Unterwegs war ich mit Apukuna Travel, einem ganz jungen Tourenanbieter in Arequipa. Roberto, der Betreiber, hat bereits langjährige Erfahrung als Guide in Peru und Chile und sich nun Anfang 2018 selbständig gemacht. Bereits beim Rafting fand ich die Jungs sympatisch und habe mich deshalb für den Trek mit ihnen entschieden. Hier findest du die Facebook-Seite.

Einen Tag nach meiner Rückkehr vom Berg wurde mir die Enttäuschung so richtig bewusst. Ich saß im Bus ans Meer und verdrückte ein Tränchen. Zu gerne hätte ich einen 6.000er bewältigt.
Was aber auf jeden Fall auch noch toll war, waren die vielen Vicunas und sogar Guanakos während der Anfahrt.
