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  • Bettina

Palästina - Leben im Konflikt


Ich sitze am Busbahnhof in Jerusalem. Heute ist mein Geburtstag. Ich bin auf dem Weg nach Palästina und muss wohl noch ein Stündchen warten, bis sich wieder ein Bus in Bewegung setzt. Gerade ist die Sonne untergegangen und die Fahrer ins muslimisch geprägte Palästina pausieren wegen Ramadan. Hunger habe ich auch, mein Mittagessen war versalzen, wofür sich der Koch ganz verschämt entschuldigte. "Wir können die Gerichte momentan nicht abschmecken - wegen Ramadan. Ich bringe dir eine neue Portion! Tut mir so leid!" War noch immer salzig, aber die Geste doch äußerst lieb.

Und genauso lerne ich sie kennen, die Palästinenser: gastfreundlich, nett, hilfsbereit und herzlich.

Der Busfahrer kommt, startet den Motor und erlöst mich von all den Heiratswilligen, die kein Wort Englisch verstehen. "Almania, Almania", sage ich immer nur, "Deutschland, Deutschland". Und "La shukran!", was "Nein, danke!" bedeutet, freilich lachend, aber mit einer abwinkenden Handbewegung, als einer das Anstecken eines Rings andeutet und auf mich zeigt. Auf den staubigen Bus hatte ich mit dem Finger eine 31 gemalt und dazu 'Happy Birthday' gesungen. Eine lustige Unterhaltung mit wenigen Worten.

Ein Russe stellt es gleich geschickter an, tippt in sein Smartphone irgendwelche kyrillischen Zeichen und zeigt mir das übersetzte "I want to spend the night with you!". Okay, jetzt wird es mir zu bunt. Ich steige ein.

Im Bus kommt der Nächste, spricht mich auf Englisch an und fragt, wo ich hin möchte. "Nach Bethlehem!", antworte ich. Er reicht mir die Hälfte seines Sesamgebäcks und bietet mir an, mich zum Hostel zu fahren. Er hätte sein Auto am Checkpoint geparkt und möchte mir helfen, jetzt im Dunkeln zu meiner Unterkunft zu kommen. Wir passieren die Kontrolle, er nimmt mir meinen Rucksack mit einem scherzenden "Uff, you are strong!" ab und fährt mich zu meiner Bleibe. "Call me, if you need anything!", sagt er und drückt mir seine Karte in die Hand, setzt mir den Rucksack auf und fährt davon. "Netter Mensch!", denke ich und gehe nach oben.

>> People think we are terrorists,

but we just want to live in freedom and peace. <<

Auch wenn ich den Checkpoint am Abend zuvor schon passiert hatte, ein vollständiges Bild der Lage kann ich mir erst jetzt bei Tageslicht machen. Und ich bin schockiert, das muss ich ganz klar so sagen. Ich weiß wohl, dass auch in Deutschland eine solche Mauer stand, Menschen auf "ihrer Seite" zurückhielt und sie klein und machtlos wirken ließ. Auf Kuba sagte einmal jemand zu mir: "Das höchste Gut des Menschen ist die Freiheit - etwas, das uns hier fehlt." Schon oft musste ich daran denken, auch jetzt wieder.

Überall Videokameras, überall Wachtürme, abgesperrte Straßen, die vom eigenen Volk nicht befahren werden dürfen, bis zu acht Meter hoher Beton, Flüchtlings-Camps - das ist das erschütternde Bild, das sich mir von Palästina ins Gedächtnis prägt. So sieht es also aus, im heiligen Land. Gar nicht mal so menschlich.

Direkt neben der Mauer steht das berühmte "Walled Off Hotel", welches auch für Besucher die Pforten öffnet. Neben einem Café findet man hier ein sehenswertes Museum, zugegeben nicht völlig objektiv, aber das kann ich auch selbst nicht mehr sein, nachdem ich all das gesehen habe.

Kein geringerer als Banksy ist der Gründer des Hotels mit "der schlechtesten Aussicht der Welt", wie es wirbt. In Bethlehem sind einige Werke des bekannten britischen Künstlers zu finden. (Lese hier einen Bericht aus der Süddeutschen Zeitung vom 03.03.2017.)

Auf dem Weg zum "Blumenwerfer", den der Palästinenser, der mich gerade durch die Stadt fährt, sogar auf seinem Oberarm tätowiert hat, kommen wir an der Geburtskirche vorbei. Hier setzt er mich ab und wünscht mir einen schönen Tag. "Du findest mich in meinem Shop. Komm' doch vorbei, wenn du mit Sightseeing fertig bist, dann gehen wir was zusammen Essen."

Genau hier, wo heute diese Kirche steht, soll Jesu Christi geboren sein. Der Altar in der Grotte, mit dem Stern am Boden, zeigt, wo er gelegen haben soll. Natürlich schaut man sich das an, wenn man an einem so bedeutenden Ort wie Bethlehem ist. Auf die Idee kommen aber auch andere, das sage ich euch gleich.

Bis zum besagten "Blumenwerfer" ist es ein Stückchen. Raus laufe ich - dank diesem Beitrag einer australischen Bloggerin ist es kein Problem, alle Werke selbst zu finden. Zurück geht es bequem mit dem Taxi. Ich lehne zwar erst dankend ab, aber der Fahrer meint, die Fahrt sei doch schon durch die anderen beiden Touristen gezahlt und ich solle jetzt einfach einsteigen! Ja, so sind sie, ich liebe sie einfach.

Und auch Moodi, der Kerl mit dem Tattoo, bietet mir beim Abendessen an, mir noch ein bisschen mehr von seinem Land zu zeigen. "Du willst doch nach Jericho, stimmt's? Ich habe morgen eine Tour dort hin und kann dich mitnehmen." Warum eigentlich nicht?

Abwechslung in Jericho

Wir fahren raus aus Bethlehem, weg von der Mauer, vorbei an fremd besiedeltem Gebiet, aber es wirkt langsam befreiender. Auf dem Weg nach Jericho kommen wir an einem wundervollen Ort inmitten der Wüste vorbei: Nabi Musa. Ob ich hier tatsächlich vor dem Grab des Propheten Moses stehe weiß ich nicht, man sagt es so.

Am Hisham's Palast (10 NIS bzw. 7 NIS für Studenten) sind wir leider zum falschen Zeitpunkt. Gerade wird ein großer Teil des Ortes aufwendig restauriert, unter anderem die großen Mosaike. 2020 soll hier alles fertig sein und ich bin sicher, es wird wundervoll. Kalif Hisham hat diesen Palast mit Moschee übrigens gebaut und schon nach vier Jahren wurde alles durch ein heftiges Erdbeben zerstört.

Zum Abschluss folgt die Ausgrabungsstätte Tell es Sultan, von der man einen schönen Blick auf die Umgebung Jerichos genießen kann. Auch hier kostet der Eintritt 10 NIS (7 NIS für Studenten).

Kleidung in Palästina

Der überwiegende Teil der Bevölkerung Palästinas gehört dem Islam an. Folglich ist es in dem Land angebracht, Knie und Schultern bedeckt zu halten. Auch mir war das zu heiß, aber es gehört sich so, finde ich.

Besuch ab Jerusalem

Viele Touristen kommen lediglich für einen Tagesausflug von Israel nach Bethlehem. Gerade hinsichtlich des bestehenden Konflikts finde ich es schade und moralisch schwierig, wenn man nicht auch die Einheimischen vor Ort bei einem Besuch ihres Landes am Tourismus verdienen lässt. Daher: Übernachte in Bethlehem und nehme dir, wenn du möchtest, einen Guide von dort.

Die Währung ist in Israel und Palästina gleich, man zahlt mit Schekel. In Palästina ist das Preisniveau allerdings um einiges niedriger.

Die Fahrt von Jerusalem (blau-weißer Bus ab Damascus Gate) zum Checkpoint kostet 4,70 NIS. Zurück direkt aus Bethlehem bis nach Jerusalem zahle ich 6,80 NIS. Die Busse fahren auch am Sabbat.

Ein-/Ausreiseproblematik in Israel

Erzählt man bei einer Einreise nach Israel, dass man auch Palästina besuchen möchte? Natürlich nicht. Pläne können sich ändern und man muss sich diesem Kontrollwahn ja nicht schon bei der Einreise ausliefern. Ich bin mit einem Kanadier über die Grenze von Jordanien nach Israel, er war besonders ehrlich und redselig und wurde gleich mal ausführlichst befragt und durchsucht.

Auch wenn ich alle Fotos nicht mehr auf meinem Smartphone hatte und versuchte, sämtliche Palästina-Spuren zu verwischen, hätten sie mich bei der Ausreise gefragt, hätte ich nicht gelogen. Eine Begründung, dass ich als Christin den Geburtsort Jesu Christi besuchen wollte, hätte wohl glaubhaft geklungen. Dass ich dort Freundschaften geknüpft habe, hätte ich natürlich nicht erwähnt.

Einen Ein- und Ausreisestempel für Palästina erhält man, wie auch für Israel, nicht.

#Palästina #Asien #Weltreise #Backpacking

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